Top 10 Themen in den Parlamenten
Markus Ossola, Projektleiter bei polsan
Willkommen im Wahljahr! Mit Sorgenbarometern oder Wählerbefragungen werden Wählerschaft und Parteien vermessen. Die Themen, um die sich die Bevölkerung im Wahljahr sorgt, haben einen grossen Einfluss auf die Wahlentscheidung. Gezielt setzen Parteien Agenda Setting ein und lassen die Bevölkerung über diejenigen Themen nachdenken, die für sie von Vorteil sind. Dies geschieht mit medialen Kampagnen, Volksinitiativen und natürlich politischen Vorstössen, um in den Parlamenten Themen zu forcieren.
Der POLITmonitor beobachtet alle politischen Vorstösse im National und Ständerat sowie den 26 kantonalen Parlamenten. Wir haben untersucht, welche Themen von den Parteien mit politischen Vorstössen [1] Parlamentarische Initiative, Motionen oder Postulate (beziehungsweise Anzüge, wenn es nach Basel-Stadt ginge) bearbeitet werden. In der aktuellen Legislatur war das Gesundheitsthema von besonderer Bedeutung, gefolgt von Vorstössen zu Wirtschaft und Umwelt.
Die kantonale Politik wird von nationalen Themen beeinflusst. Dreht sich der nationale Wahlkampf um das Klima, so dringt dies auch zur kantonalen Politik durch. So war im vierten Quartal 2019 die Umwelt mit 215 eingereichten Vorstösse die Sorge «Nummer 1» der Parlamentarier:innen war. Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 haben die Parlamentsmitglieder begonnen, vorwiegend Gesundheitsthemen zu bearbeiten, was in Kombination mit den darauffolgenden wirtschaftlichen Fragen die gesamte Legislatur prägte. Mit Beginn der Invasion von Russland in die Ukraine hat die Energiethematik in den Schweizer Parlamenten an Bedeutung gewonnen.
[1] Parlamentarische Initiative, Motionen oder Postulate (beziehungsweise Anzüge, wenn es nach Basel-Stadt ginge)
Themenführer
Wenn wir uns das Gesundheitsthema genauer ansehen, stellen wir fest, dass es bis Ende 2019 vor allem von der Mitte und der SP bearbeitet wurde, die zusammen für die Hälfte der gesundheitspolitischen Vorstöße verantwortlich waren. Mit dem Beginn der Pandemie, ab dem 2. Quartal 2020, springen FDP, SVP und die Grünen ebenfalls auf das Thema auf und reichen mehr Vorstösse dazu ein. Wurden im letzten Quartal vor Corona rund 190 ƒ6 im Bereich Gesundheit eingereicht, stieg diese Zahl auf 430 im 3. Quartal 2020.
Wirtschaftsthemen werden mehrheitlich von Links bespielt, wie Grafik 3 zeigt. Was an dieser Stelle die Frage aufwirft, was unter Wirtschaftsthemen überhaupt verstanden wird. Gemäss der im POLITmonitor angewendeten Systematik werden unter diesem Begriff mehrere Teilbereiche zusammengefasst. Wie anhand der folgenden beiden Vorstösse aus den Reihen der SP aufgezeigt werden kann:
Messe Basel als Zollfreimesse – SP-Kantonsrätin Seggiani möchte der abnehmenden Relevanz der Messestadt Basel bremsen, indem diese als Zollfreimesse (analog einem Zollfreilager) definiert wird.
Schaffung eines Forschungs- und Innovationsfonds: Konzept und Massnahmen – Der Luzerner SP-Kantonsrat Meyer wollte innovative Entwicklungsprojekte zwischen Hochschulen und Luzerner Firmen fördern.
Zu Beginn der Legislatur im 4. Quartal 2019 und Ende 2022 werden fast 50% der wirtschaftspolitischen Vorstösse von Links eingereicht, während dazwischen (während der Pandemie) die drei bürgerlichen Parteien (SVP, FDP, Die Mitte) das Thema stärker bearbeiteten.
Nicht überraschend sind die Grünen die Partei, welche mit Abstand am meisten Vorstösse im Bereich Umwelt lancieren. Wurden sie zu Beginn der aktuellen nationalen Legislatur noch stark von der SP konkurriert, waren sie anschliessend meist für mehr als einen Drittel aller umweltpolitischen Vorstösse verantwortlich.
Nun steht diese Betrachtung natürlich in Relation zur Grösser der Partei: So hat beispielsweise die SVP etwa hat viermal so viele Parlamentarier:innen wie die Grünliberalen. Möchte man also erfahren, wie die einzelnen Themen innerhalb der Parteien gewichtet werden, lohnt sich ein Blick auf die Verteilung der Top 10 Themen innerhalb der Parteien.
Parteischwerpunkte
Die Grünen wie auch die Grünliberalen reichen die meisten ihrer Vorstösse zur Umweltthematik ein. Beide engagieren sich zudem überdurchschnittlich im Bereich Gesundheit und Wirtschaft. Die Grünliberalen bearbeiten zusätzlich die Themengebiete Energie und das politische System, während sie vergleichsweise wenige Vorstösse zu sozialen Fragen und zum Thema Arbeit und Beschäftigung einbringen.
Die Grünen hingegen haben keine weiteren Schwerpunkte, zudem bearbeiten sie die Themen Arbeit und Beschäftigung und Bildung sowie Raumplanung und Verkehr vergleichsweise wenig. Neben den beiden grünen Umweltparteien bearbeitet keine weitere Partei ein einzelnes Thema mit mehr als 10 Prozent ihrer Vorstösse.
Die SP hat einen klaren Fokus auf soziale Frage und hat in der aktuellen Legislatur über 600 Vorstösse im Bereich Gesundheit aber auch in vielen weiteren Bereichen wie z.B. Wirtschaft, Umwelt und zum politischen System eingereicht. Weniger stark bringen sie sich zur Raumplanung, Verkehr und Energie ein.
Die drei bürgerlichen Parteien unterscheiden sich bezüglich ihrer Topthemen während der aktuellen Legislatur nicht wesentlich voneinander. An erster Stelle stehen Wirtschaft, Gesundheit und politisches System. Zudem reichen sie überdurchschnittlich viele Vorstösse im Bereich Umwelt ein und vergleichsweise wenige zu Arbeit und Beschäftigung, Bildung und Energie. Die grösste Differenz sind bei den Bürgerlichen sieht man bei der Anzahl an Vorstössen rund um soziale Fragen: Hier engagiert sich lediglich Die Mitte.
Wie sieht es nun aus mit der Themensetzung in Bezug auf die kommenden Wahlen?
Würden wir nur die SVP betrachten, so wäre Migration ein Top-Thema. Beim Energie-Thema hat die SVP erst im aktuellen Jahr einen Fokus gelegt und in den letzten drei Quartalen mehr Vorstösse zum Thema Energie eingereicht, als in den neun Quartalen zuvor zusammen. Schlägt dies auch auf den öffentlichen Diskurs durch und werden der SVP hier von den Wählenden die grössten Lösungskompetenzen zugeschrieben? Thematisch gut aufgestellt sind die Grünen und Grünliberalen: Ihr Schwerpunktthema ist trotz der sich veränderten Weltlage nicht nur im öffentlichen Diskurs, sondern auch in den Parlamenten weiterhin ein Top Thema.
Es ist zu erwarten, dass die Parteien im Wahljahr ihre Themen noch fokussierter platzieren. Deshalb werden wir vom POLITmonitor in diesem Jahr regelmässig die Top Themen der nationalen und kantonalen Parlamente publizieren.
Welche Themen werden den Wahlkampf dominieren und welche Partei forciert diese?
Mit dem POLITmonitor wissen, was geht!