Plädoyer für mehr politische Bildung
von Claudia Hametner, Politologin, stv. Direktorin beim Schweiz. Gemeindeverband
In keinem anderen Land kann die Bevölkerung über so viele Themen abstimmen und sich im politischen Prozess einbringen wie in der Schweiz. Schweizerinnen und Schweizer werden regelmässig aufgerufen, zu wichtigen Sachfragen und Gesetzen Stellung zu nehmen oder richten sich mit einer Volksinitiative, Petition oder Referendum selbst mit konkreten Anliegen an die Behörden. Zusammen mit dem Föderalismus ist die Demokratie in der Schweiz einer der tragenden Pfeiler unseres politischen Systems. Die demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten sind bekannt und machen aus Zuschauenden Beteiligte – oder doch nicht? Die politische Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ist rückläufig. Die Gründe dafür sind vielfältig und komplex. Trotz aller Bemühungen gelingt es nicht immer, komplexe Abstimmungsvorlagen verständlich zu kommunizieren. Oft fehlt auch das nötige Vorwissen, um in der Vielzahl an Unterlagen die Bedeutung einzelner Vorlagen richtig einschätzen zu können.
Angesichts dieser Tendenz gewinnen die politische Bildung und damit der Erwerb von Kompetenzen sowie das Verständnis für eine Kultur des Zusammenlebens an Bedeutung. Für eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen und politischen Leben in einer Demokratie ist es wichtig, dass sich bereits Kinder und Jugendliche mit den demokratischen Prozessen und der politischen Partizipation frühzeitig vertraut machen. Es muss künftig besser gelingen, Interesse an politischen Fragen und Prozessen zu wecken und möglichst breite Bevölkerungskreise zu einem Engagement in demokratischen Gemeinschaften zu befähigen und zu motivieren. Die politische Bildung ist dabei ein entscheidendes Instrument und sollte mehr Gewicht erhalten. Damit Kinder und Jugendliche früh lernen, wie der Staat, Wahlen und der politische Prozess funktionieren. Denn das Verständnis für Demokratie fällt nicht einfach vom Himmel. Auch auf nationaler Ebene bleibt das Thema Gegenstand politischer Debatten und zahlreicher Vorstösse – für viele Politikerinnen und Politiker von links bis rechts gehört die politische Bildung fix auf den Stundenplan. Dies würde nicht nur die direkte Demokratie stärken, sondern auch für Wahlen und Politik begeistern. Neben der Schule kann das Verständnis für und die Teilnahme an demokratischen Prozessen aber auch im Rahmen von freiwilligen, ausserobligatorischen Initiativen trainiert und eingeübt werden. Die Stiftung Dialog / Campus für Demokratie ist mit Projekten wie Jugend debattiert wichtige Wegbereiterin– es lohnt sich, hier einmal vorbeizuschauen!