Transparenz – eine Zangengeburt
Reto Wiesli, Historiker, Partner bei polsan
Die Frage: «Wer mit wem und warum?» beschäftigt die Welt seit Jahr und Tag. Es kann darum in der Schweizer Politik ja auch nicht anders sein. Die Medien beziehen aus den Antworten auf diese Frage immer wieder spannende Geschichten und gewinnen damit sogar Journalistenpreise. Mit einem modernen Demokratieverständnis verträgt sich jedoch solches Versteck- und Aufdeckspiel auf die Dauer nicht, weshalb im Parlament selber und natürlich in der Öffentlichkeit die Forderung nach Transparenz unüberhörbar wird.
Für den Brennpunkt der Schweizer Politik, das Bundeshaus, gehen die Transparenzforderungen vor allem an zwei Adressen: die Parlamentarier selbst und die Lobbyisten. Vom Parlamentarier wird verlangt, dass er nicht nur seinen Beruf angibt, sondern auch seine Interessenbindungen offen legt. Die entsprechenden Register sind online, werden gewissenhaft zu Beginn der Legislatur ausgefüllt, fallen danach aber in einen Dornröschenschlaf. Ausser einem berufenen Enthüllungsjournalisten ist offensichtlich niemandem an der seriösen Nachführung des Registers gelegen, jedenfalls ist die Lust der Parlamentarier darauf gering und die Sanktion inexistent. Aber dem Buchstaben des Gesetzes ist Genüge getan und die Ausrede bei der Entdeckung einer Lücke tönt standardisiert in etwa so: Sorry, ist leider vergessen geraten, wird gleich nachgeholt!
Bei den Lobbyisten ist die Lage noch weniger durchsichtig: diese Menschenkategorie gibt es formell gar nicht, sie bevölkert einfach die Wandelhalle und in regelmässigen Abständen als Schreckgespenst die Schlagzeilen. Lobbyisten treten dabei in vielfältiger Form in Erscheinung: als Gast eines Parlamentariers und damit Inhaber einer der beiden Karten der Parlamentarier; als Inhaber einer Presse-Akkreditierung für eine Verbandszeitschrift; als Tagesbesucher eines Parlamentariers; oder als Aussenstehende, die rund ums Bundeshaus Sitzungszimmer, Geschäftsstellen und ruhige Gaststätten bevölkern und dem Parlament zuarbeiten.
Der grösste Nachholbedarf ist eigentlich erkannt, die Lösungen liegen auf dem Tisch: ein Register und eine Akkreditierung für Lobbyisten, unabhängig vom einzelnen Parlamentarier und auf Seiten der Volksvertreter die Deklaration der Einkünfte aus den lückenlos deklarierten Interessenbindungen. Geburtshelfer für diese offensichtlich für viele Parlamentarier schwierigen Schritte ist die Öffentlichkeit, die mittels Medien Demokratie und Transparenz einfordert. Und im Zweifelsfall unterstützt der nahende Wahltermin vom Herbst 2019 den einen oder andern Zug hin zur Offenheit: Einsteigen bitte!